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Altersstaffeln im Tarifvertrag und AGG

Nach einer Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts ist eine tarifliche Regelung, in der die Grundvergütung der Höhe nach nach Lebensaltersstufen gestaffelt wird, wegen unmittelbarer Benachteiligung wegen des Alters i.S.d. §§ 1, 3 AGG unwirksam. Die hierdurch eintretende unmittelbare Benachteiligung ist nicht im Sinne des AGG gerechtfertigt. Folge dieses Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot wegen des Alters ist, dass die leistungsgewährenden, nicht benachteiligenden Tarifvertragsbestimmungen auf diejenigen Personen zu erstrecken sind, die entgegen den Benachteiligungsverboten von den tariflichen Leistungen ausgeschlossen wurden. Der Arbeitgeber könne sich im Hinblick auf den Verstoß gegen das gesetzliche Diskriminierungsverbot nicht auf Vertrauensschutzgesichtspunkte berufen.

Hintergrund des Rechtsstreits war das Verlangen eines 31 Jahre alten Angestellten des öffentlichen Dienstes auf Erhalt der Vergütung nach der höchsten Lebensaltersstufe der die Vergütung regelnden Tarifvorschriften. Nach den auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifvorschriften war die Grundvergütung der Höhe nach abhängig von dem Lebensalter nach einer im Tarifvertrag aufgeführten Staffelung zu zahlen. Folge war, dass jüngere Mitarbeiter bei gleicher Tätigkeit eine niedrigere Grundvergütung erhielten als ältere Beschäftigte.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Arbeitnehmers hatte Erfolg. Nach Auffassung des Berufungsgerichts ist die nach Lebensaltersstufen gestaffelte Regelung wegen unmittelbarer Benachteiligung wegen des Alters, die nicht sachlich gerechtfertigt ist, unwirksam.

Das AGG verbiete eine unmittelbare Benachteiligung wegen des Alters. Dieses Verbot schütze auch jüngere Arbeitnehmer gegen Benachteiligungen im Verhältnis zu älteren Beschäftigten. Die weniger günstige Behandlung könne grundsätzlich auch in der Einräumung einer ungünstigeren Vertragsbedingung liegen.

Die in § 27 A BAT enthaltende Regelung stelle eine unmittelbare Benachteiligung jüngerer Arbeitnehmer wegen ihres Alters dar, weil die Grundvergütung der jeweiligen Vergütungsgruppen an das tatsächliche Lebensalter des Beschäftigten anknüpft. Damit stehe bei gleicher Tätigkeit dem lebensälteren Arbeitnehmer lediglich wegen seines höheren Lebensalters eine höhere Grundvergütung zu als dem jüngeren Beschäftigten.

Die hierin liegende Benachteiligung wegen seines Alters sei auch nicht aufgrund gesetzlich vorgesehener Ausnahmen zulässig. Nach herrschender Meinung – der sich das Berufungsgericht anschloss – seien Vergütungssysteme, die die Höhe der Vergütung nach dem Lebensalter staffeln, grundsätzlich unwirksam. Die maßgeblichen Tarifregelungen seien auch nicht durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt, da das Lebensalter hierfür kein akzeptabler Anknüpfungspunkt sei.

Auf Grund dieser ungerechtfertigten Benachteiligung könne der Kläger die geltend gemachte Vergütung nach der höchsten Altersstufe für die Vertragsdauer des bereits beendeten Arbeitsverhältnisses verlangen. Zwar finde sich im AGG keine ausdrückliche Festlegung, was inhaltlich anstelle der für unwirksam erklärten benachteiligenden Regel treten solle. Allerdings komme nur eine Anpassung „nach oben“ in Betracht, um den Nachteil durch die diskriminierende Ausgestaltung der Altersstufenregelungen auszuschließen.

Nur durch diese Angleichung „nach oben“ könne die Gleichbehandlung des Klägers bezogen auf die geschuldete Grundvergütung mit lebensälteren Beschäftigten hergestellt werden. Es komme nicht darauf an, dass möglicher Weise im Einzelfall eine relative Bevorzugung bei gleichzeitig einhergehender Benachteiligung gegeben sei, wenn ein Arbeitnehmer nicht in der niedrigsten, aber auch nicht in der höchsten Lebensaltersstufe einzuordnen sei. Hierdurch zeige sich nur, dass auch mit einer vermittelnden Angleichung die tatsächlich eingetretene Benachteiligung nicht beseitigt, sondern wiederum nur abgemildert werden könnte. Eine Anpassung „nach unten“ als Ersatzregelung scheide ebenfalls aus. Sie würde allenfalls zu einer rechtlichen, nicht aber zu einer tatsächlichen Gleichbehandlung führen. Das Berufungsgericht sah auch keine Möglichkeit, die Anpassung für die Vergangenheit den Tarifvertragsparteien zu überlassen.

Der geltend gemachte Anspruch scheitere auch nicht an Vertrauensschutzaspekten. Die Benachteiligungsverbote des AGG würden ohne Übergangsregelung gelten und sich auf alle Sachverhalte, die sich seit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes im August 2006 in seinem Geltungsbereich verwirklicht haben, erstrecken Danach müssten sich auch Tarifverträge, die bereits vor seinem Inkrafttreten vereinbart waren, an seinen Diskriminierungsverboten messen lassen. Eine solche Anknüpfung sei zulässig. Besondere Gründe des Vertrauensschutzes zu Gunsten des Arbeitgebers, die eine andere Bewertung rechtfertigten, seien nicht zu erkennen.

Gegen diese Entscheidung ist die Revision zugelassen worden.

Hess. LAG, Urteil vom 22. April 2009 – 2 Sa 1689/08
Vorinstanz: Arbeitsgericht Marburg vom 26. September 2008 – 2 Ca 183/08

Weitere Urteile zum Thema Altersdiskriminierung:

BAG: Keine Altersdiskriminierung durch auf jüngere Arbeitnehmer beschränktes Angebot von Aufhebungsverträgen

 

Posted on Juni 29th, 2011 by magnus  |  Kommentare deaktiviert für Altersstaffeln im Tarifvertrag und AGG

Urteil im "Kinderreisebettfall"

Am Mittwoch, 10. Februar 2010, fand um 10.00 Uhr vor dem Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – die Berufungsverhandlung im so genannten „Kinderreisebettfall“ statt (Az.: 13 Sa 59/09).

Der Kläger wurde von der Beklagten, einem Abfallentsorgungsunternehmen, seit über acht Jahren als Hofarbeiter im Rahmen der Altpapierentsorgung beschäftigt. Der Kläger fand in einem Altpapiercontainer, dessen Inhalt zur Entsorgung anstand, einen Karton, der ein Kinderreisebett enthielt und nahm dieses an sich, ohne die Beklagte zuvor um Erlaubnis zu fragen. Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers außerordentlich fristlos und warf diesem Diebstahl vor, wobei der Kläger durch vorhergehende Abmahnungen darauf hingewiesen worden sei, dass auch die Mitnahme zu entsorgender Gegenstände grundsätzlich verboten und nur im Falle ausdrücklicher Gestattung durch die Beklagte erlaubt sei. Der Kläger hält die Kündigung jedenfalls für unverhältnismäßig.

Die gegen die Kündigung vom Kläger erhobene Klage war vor dem Arbeitsgericht Mannheim erfolgreich (Urteil vom 30.07.2009, Az.15 Ca 278/08). Die Beklagte, die eine Abweisung der Kündigungsschutzklage erstrebt, wendete sich gegen dieses Urteil des Arbeitsgerichts mit ihrer zum Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg – Kammern Mannheim – eingelegten Berufung.

Die Berufung der Beklagten blieb ohne Erfolg. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und damit das Urteil des Arbeitsgerichts bestätigt. Das Gericht ließ sich dabei von der Überlegung leiten, dass auch wenn ein Pflichtverstoß des Klägers und ein „Kündigungsgrund an sich“ zu Gunsten der Beklagten ebenso angenommen würde, wie eine zuvor erfolgte Abmahnung, im Rahmen einer abschließenden Interessenabwägung das Bestandsschutzinteresse des Klägers im Ergebnis Vorrang hat. Dies gilt vor allem angesichts des langjährigen, im Wesentlichen störungsfrei verlaufenen Arbeitsverhältnisses des Klägers und des fehlenden wirtschaftlichen Wertes der unmittelbar zur Entsorgung anstehenden und bereits im Müll befindlichen Sache. Mangels Vorliegens eines der gesetzlich abschließend aufgezählten Zulassungsgründe hat das Landesarbeitsgericht die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

Posted on Februar 10th, 2010 by magnus  |  Kommentare deaktiviert für Urteil im "Kinderreisebettfall"

Arbeitnehmereigenschaft von „Non-Equity-Partnern“ einer Rechtsanwaltschaftsgesellschaft

Rechtsanwälte, die als so genannte Non-Equity-Partner, bei einer Rechtsanwaltschaftsgesellschaft tätig sind, gelten nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes. Das ArbG Düsseldorf hat deshalb den Rechtsstreit zweier Rechtsanwälte einer in Düsseldorf ansässigen Großkanzlei an das LG Düsseldorf verwiesen. Die Frage, ob die Rechtsanwälte materiell Arbeitnehmer sind und für sie, wie sie geltend machen, das Kündigungsschutzgesetz Anwendung findet, hat das ArbG damit nicht entschieden.

Da die Rechtsanwälte gesetzliche Vertreter der Rechtsanwaltschaftsgesellschaft sind, gelten sie gem. § 5 ArbGG nicht als Arbeitnehmer im Sinne des Verfahrensrechts. Die Rechtsstreitigkeiten mit gesetzlichen Vertretern von Personengesamtheiten wie einer Rechtsanwaltschaftsgesellschaft weist das Gesetz den ordentlichen Gerichten, hier dem LG, zu. (ArbG Düsseldorf, Beschl. v. 19. 11. 2009 – 6 Ca 4447/09 und 4448/09)

Posted on November 19th, 2009 by magnus  |  Kommentare deaktiviert für Arbeitnehmereigenschaft von „Non-Equity-Partnern“ einer Rechtsanwaltschaftsgesellschaft

Mit zunehmendem Alter eines Arbeitnehmers sinkt nicht zwingend dessen Fähigkeit, unter veränderten Umständen zu arbeiten

Die Unwirksamkeitsfolge des § 7 Abs. 2 AGG gilt für Vereinbarungen aller Art und damit auch für Betriebs- und Dienstvereinbarungen. Verfolgt eine Dienstvereinbarung über Umsetzungen das Ziel, Arbeitnehmer vor möglicherweise altersbedingt steigenden Belastungen zu schützen, stellt dies ein legitimes sozialpolitisches Ziel dar. Es ist zweifelhaft, ob ein Erfahrungssatz besteht, wonach es Arbeitnehmern mit zunehmendem Alter wegen sinkender Flexibilität regelmäßig schwerer fällt, nach Versetzung unter veränderten Umständen zu arbeiten. In der Rechtsprechung ist lediglich anerkannt, dass die physische Belastbarkeit mit zunehmendem Alter abnimmt.

BAG, Urteil vom 13.10.2009, Az. 9 AZR 722/08

Posted on Oktober 13th, 2009 by magnus  |  Kommentare deaktiviert für Mit zunehmendem Alter eines Arbeitnehmers sinkt nicht zwingend dessen Fähigkeit, unter veränderten Umständen zu arbeiten